Ein internationales, dezentrales und interdisziplinäres Forschungs- und Vermittlungsprojekt, initiiert von der Anna Polke-Stiftung.
40 Jahre nach der gefeierten Präsentation von Sigmar Polkes Athanor-Installation im Deutschen Pavillon der Venedig-Biennale 1986 aktiviert Sigmar Polke. Athanor NOW die ikonisch gewordene Werkkonstellation aus aktuellen künstlerischen und wissenschaftlichen Perspektiven. Im Fokus stehen dabei Themen wie Ökologie, Alchemie, Material, Politik und Technologie.
Athanor – das Werkensemble benannt nach dem alchemistischen Hochofen, der durch Transformation von Stoffen zum Stein der Weisen führen sollte – offenbart den ganzen Polke-Kosmos: Das Polizeischwein, geschaffen in der Rastertechnik, für die Polke seit den 1960er Jahren bekannt ist, empfängt die Besucher:innen schon an der Außenwand der monumentalen NS-Architektur, während den Eingang die Malerei Hände vorm Gesicht flankiert. Neue, eigens für diesen Ort geschaffene Arbeiten und Werkgruppen finden sich im Inneren des historisch aufgeladenen Ausstellungsbaus: Neben sechs großformatigen abstrakten Gemälden aus glänzendem Kunststoffsiegel, den sogenannten Spiegel- oder Lackbildern, schuf der Künstler eine abstrakt-gestische Wandmalerei in der Konche des Pavillons, die mit ihrer salzhaltigen Farbe auf die Atmosphäre in der venezianischen Lagune reagierte und sich je nach Luftfeuchtigkeit von einem zarten Blau zu einem hellen Rosa veränderte. Die sich so manifestierende Wirkkraft der Natur griff Polke auf, indem er natürlich hervorgebrachte Objekte in Form eines Zinnobersteins, eines Bergkristalls und eines Meteoriten im Raum platzierte. In weiteren Gemälden kamen sowohl natürliche Pigmente und Erdfarben als auch synthetisch hergestellte, teils giftige Stoffe, Lacke und Harze zum Einsatz. An der Materialfülle wird Polkes große Freude offensichtlich, mit unterschiedlichsten Substanzen, aber auch Bildträgern, Motiven und Objekten zu experimentieren.
In der Gemäldegruppe der Dürerschleifen übertrug er Elemente aus einem Holzschnitt Albrecht Dürers von 1523 auf mit Graphitstaub bestäubte Leinwände. In vier monochromen Farbtafeln, auf die Polke die reinen, teils giftigen Pigmente auf die Leinwand gestreut und verstrichen hat, wird die Farbe und das verwendete Material selbst zum Bildthema. Das ausnehmende Interesse des Künstlers an der Transformation von Stoffen und von Farbe im Besonderen wird auch am aufwendigen Malprozess deutlich, der dem Pupurtuch zugrunde liegt, einem hellen Seidentuch, das stellenweise mit ornamentalen Formen bemalt wurde. Die Malspuren des violetten Farbstoffs, von Sigmar Polke selbst aus dem Sekret von Purpurschnecken gewonnen, erhalten erst unter dem Licht der Sonne ihre Farbigkeit und wandeln sich während des Auftragens und im darauffolgenden Trocknungsprozess. Spätestens seit der Athanor-Installation, für die Polke mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, galt Polke als Alchemist.
Mit neuem Blick auf die besonders produktive Schaffensphase der 1980er Jahre erweitert das Projekt Sigmar Polke. Athanor NOW diese Lesart:
Kunstschaffende und Forschende aus verschiedenen Disziplinen greifen Aspekte der historischen Werkkonstellation auf und verknüpfen Polkes künstlerischen Umgang mit unterschiedlichsten Kontexten und Materialien mit aktuellen Themen aus Praxis und Theorie. Der kulturhistorische Blick wird so beispielsweise um Perspektiven aus Literatur und Philosophie, Digital Humanities und Natur- und Technikwissenschaften ergänzt.
In zahlreichen Formaten wie Führungen und Sammlungsinterventionen, Lehrveranstaltungen und Workshops, Vermittlungsprogrammen, Podcasts und digitalen Angeboten sowie einer Summer School und einer großen Einzelausstellung im De Pont Museum, Tilburg, aktiviert das internationale Jahresprogramm Arbeiten der vielschichtigen Installation und verwandte Werke in ihren aktuellen Zusammenhängen. Zwischen wissenschaftlicher Forschung, künstlerischer Interaktion und öffentlichem Diskurs spürt Sigmar Polke. Athanor NOW den Impulsen nach, die von Polkes Denken und Arbeiten ausgehen und so vierzig Jahre nach der Venedig-Präsentation in Form neuer Konstellationen heute Relevanz entfalten.

Alle Werke von Sigmar Polke © The Estate of Sigmar Polke / VG Bild-Kunst, Bonn
Projektpartner:innen: Akademie der Bildenden Künste, München (DE), Albrecht-Dürer-Haus, Nürnberg (DE), Ulrike Arnold, Düsseldorf (DE), C/O Berlin, Berlin (DE), Cockburn Geological Museum at the School of GeoSciences & University of Edinburgh / Museum of the Scottish Shale Oil Industry, Edinburgh (GB-SCT), Yves Coussement, Gent (BE), De Pont Museum, Tilburg (NL), Ghent University, Department of Architecture & Department of Art History & Vandenhove, Gent (BE), Grossmünster, Zürich (CH), Freie Universität Berlin, EXC 2020 Temporal Communities, Berlin (DE), Freunde des Wallraf-Richartz-Museum und des Museum Ludwig e.V., Köln (DE), Heinrich-Heine-Universität, Masterstudiengang Kunstvermittlung und Kulturmanagement, Düsseldorf (DE), Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kunst- und Bildgeschichte, Forschungsstelle „Das Technische Bild“, Berlin (DE), ifa Institut für Auslandsbeziehungen, Institut für Auslandsbeziehungen, ifa-Galerie Stuttgart, Stuttgart (DE), Istituto Italiano di Cultura di Colonia, Köln (DE), Kingston University, London (GB), Kunsthalle Bielefeld, Bielefeld (DE), Kunsthochschule Mainz, Mainz (DE), KHM Kunsthochschule für Medien, Köln (DE), Kunstmuseen Krefeld, Krefeld (DE), Kunstmuseum Bonn, Bonn (DE), Raewyn Martyn, Edinburgh (GB-SCT), Mineralien-Museum, Essen (DE), Evelyn Möcking, Düsseldorf (DE), Monash University, Department of Fine Art, Melbourne (AUS), Musée d'art Moderne de Paris, Paris (FR), Museum Abteiberg, Mönchengladbach (DE), Museum Folkwang, Essen (DE), Museum Ludwig Köln, Köln (DE), Palomar Observatory, San Diego (US), Pinakothek der Moderne, München (DE), Stefanie Pluta, Köln (DE), Rijksakademie van Beeldende Kunsten, Amsterdam (NL), RMIT University, Department School of Art, Melbourne (AUS), Ruhr Museum, Essen (DE), Fabrizio Saiu, Brescia (IT), Philip Samartzis, Melbourne/Sydney (AUS), Sammlung Hoffmann, Berlin (DE), San Diego Museum of Art, San Diego (US), San Francisco Museum of Modern Art (US), Schaudepot des Ruhr Museums auf Zollverein, Essen (DE), Berit Schneidereit, Düsseldorf (DE), Luke Smythe, Melbourne (AUS), Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart (DE), Stiftung Findeisen, Köln (DE), Ulrike Stottrop, Essen (DE), Technische Universität Berlin, Fachgebiet Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Literatur und Wissenschaft, Institut für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte, Berlin (DE), Technische Universität Dortmund, Seminar für Kunst und Kunstwissenschaft, Dortmund (DE), Universität Bielefeld, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Bielefeld (DE), Universität der Künste Berlin, Berlin (DE), Universität Hamburg, Kunstgeschichtliches Seminar, Hamburg (DE), Universität Siegen, Institut für Kunst, Kunstgeschichte und Kunstpädagogik, Siegen (DE), Universität zu Köln, Kunsthistorisches Institut, Köln (DE), Université de Lausanne, Lausanne (CH), Francesca Valentini, Brüssel (BE), Vrije Universiteit Amsterdam, Department of Art & Culture, Amsterdam (NL), Mark Aerial Waller, London (GB), Nico Joana Weber, Köln (DE), ZI Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Forschungsgruppe „Kunst, Umwelt, Ökologie“, München (DE).
Wir danken der Thomas und Doris Ammann Stiftung, Zürich für die großzügige Förderung des Projektes.
Projektteam
Dr. Kathrin Barutzki, Wissenschaftliche Leitung
barutzki@anna-polke-stiftung.com
Elsa Wellmann-Gilcher, Forschungsvolontariat und Projektassistenz
wellmann-gilcher@anna-polke-stiftung.com